Vorwort der Herausgeber

 

Die prächtige Stadt Peking sei mit der Einführung von Häusern des europäischen Typs, welche die ganze Harmonie ihres Plans zerstörten, ruiniert worden, und nun sei London, die Hauptstadt der englischen Kultur, infiziert mit einer kontinentalen Experimentiererei, die im Widerspruch stehe zum Charakter der Stadt. Mit diesem Resümee entläßt der dänische Architekt, Stadtplaner, Lehrer und Autor Steen Eiler Rasmussen (1898–1990) in seinem erstmals 1934 erschienenen Buch London. The Unique City seine Leser und tritt mit seinem weit vorausschauenden Befund zugleich dafür ein, den individuellen Charakter von Städten zu bewahren.

 

Rasmussen war eine der letzten großen Architektenpersönlichkeiten, die ihre Arbeiten in einen historischen und gesellschaftlichen Kontext stellten. Sein Buch über die faszinierende Entwicklung der Metropole London ist damit zugleich ein leidenschaftliches Plädoyer zur Besinnung auf die kulturellen, stadtgeschichtlichen und architektonischen Qualitäten von Städten. Und mehr als dies: Es verführt seine Leser, Experten kaum anders als stadt- und kulturgeschichtlich interessierte Laien, sich von der Biographie einer großen Stadt gefangennehmen, ja verzaubern zu lassen: London, eine einzigartige Stadt, die der Architekt und Stadthistoriker Rasmussen von sich erzählen läßt, von ihren römischen Anfängen bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Sein lehrreiches und überdies höchst unterhaltsam zu lesendes Buch zeigt, wie sich London zu einer starken Handels- und Bürgerstadt entwickelte, zu einer Stadt, die den König nie zu einem absolutistischen Herrscher werden ließ und sich damit von den großen Städten des europäischem Festlands wie Paris und Wien grundlegend unterscheidet. Es waren die Bürger Londons, die ihre Stadt vor einer ihren Lebensbedürfnissen oktroyierten Planung bewahrten und sie vor den architektonischen Repräsentationsinteressen der Herrscher schützten. London konnte sich freier als andere große Städte entwickeln. Es scheint, daß es in seiner langen Geschichte eine stetige – wenn auch ihren Akteuren kaum bewußte – Tendenz zu einem bestimmten Typus gegeben hat. Einem bestimmten Typ von Stadt, dem ein bestimmter Typ von Haus entsprach, und von Menschen, die sich in beiden wiedererkannten. Diese Tendenz aufzuspüren, ist Rasmussens Absicht. Eine Idee, meinen wir, auf die es sich zu besinnen gilt. Moderne Städte, die Stück für Stück gewachsen sind, lassen sich nur durch die Betrachtung ihrer Geschichte verstehen. Das gilt insbesondere für die Hauptstadt der Engländer. Stets hebt Rasmussen das in deren Stadtgeschichte auf wunderbare Weise entdeckte Unkonventionelle, Ungeregelte, sich der Verregelung Widersetzende als Vorbild hervor. Sein zuweilen idyllisch erscheinendes Weltbild findet im Detail eine Realität, die sich auf den ersten Blick nicht gleich erschließt.

 

Die auf Erfahrungen gestützte Idee, daß die Zukunft der Stadt von eigenverantwortlich handelnden, sich ihrer Kultur bewußten Bürgern entscheidend mitgeprägt werden kann, von Menschen, die sich für ihre Stadt einsetzen, sie mitgestalten und diese Aufgabe nicht dem Staat überlassen, hat rund 80 Jahre nach dem Jahr der Erstveröffentlichung dieses Buches nichts an Aktualität eingebüßt. Der internationale Stadtdiskurs, wie ihn etwa die einflußreichen Urban Age-Konferenzen geführt haben, revitalisiert diese Idee und demonstriert sie an zahlreichen Beispielen.